Märchen für Groß und Klein


Felix, der kleine Fuchs 

 

    Es war einmal ein kleiner Fuchs, der lebte mit seinen Geschwistern tief unter der Erde. Sein Zuhause besaß mehrere Ein- und Ausgänge, um bei Gefahr schnell verschwinden zu können. Der kleine Fuchs hörte auf den Namen Felix. Vater Fuchs warnte Felix vor dem Jäger und vor Raubvögeln wie dem Steinadler. „Für Steinadler ist ein junger Fuchs ein köstlicher Sonntagsbraten“, hatte Vater Fuchs gemeint und ihn gemahnt, auf dem Schulweg stets vorsichtig zu sein und sich bei Gefahr schnell im Dickicht zu verstecken, denn im freien Gelände würde ein kleiner Fuchs ganz schnell von den Raubvögeln gesichtet. 

 

Vater Fuchs schaute besorgt auf Felix, der trotzig darauf beharrte, allein zur Schule gehen zu wollen „Felix, du bist noch viel zu klein, um alleine in die Schule zu gehen, ich werde dich noch einige Zeit lang begleiten.“ Doch das gefiel dem jungen Fuchs überhaupt nicht. „Ich kann das aber allein!“ ,sagte er und schlug ärgerlich mit seinem Schwanz auf den Boden. Da gab Vater Fuchs schweren Herzens nach, ermahnte ihn jedoch, ganz besonders vorsichtig bei der großen Wiese zu sein. „Du weißt, der Steinadler!“ 

Der kleine Fuchs achtete nicht auf die Worte des Vaters, er ließ sich die Schultasche umhängen und machte sich fröhlich auf den Weg. Er freute sich riesig alleine unterwegs zu sein und darauf, allen seinen Freunden davon zu erzählen. 

 

Bevor er den Bau verließ, schaute Felix vorsichtig nach allen Seiten, und zog dabei prüfend die Luft durch seine Nase. „Alles in Ordnung“, stellte er befriedigt fest. Im Wald drinnen fühlte sich Felix sicher und er wurde immer übermütiger. „Ich kann das selbst, ich kann das selbst“, sang er laut und hüpfte übermütig wie ein Hase von Baum zu Baum. Bald kam er zur Wiese mit den vielen Löwenzahnblüten und er überlegte, ob er so schnell wie ein Wiesel darüber laufen oder sich soviel Zeit dabei lassen sollte wie der dicke Käfer Wackelbauch? Felix dachte sehr, sehr lange nach, dann überquerte ganz gemütlich die Wiese. 

 

Endlich war er bei der Schule angekommen, wo seine Schulkameraden schon eifrig beim Unterricht waren. 

 „Felix, du kommst heute aber spät!“ meinte Lehrer Klugauge besorgt. Was hat dich denn so lange aufgehalten?“ 

  „Entschuldigung“, meinte Felix zerknirscht. „Auf der großen Wiese gab es viel Neues zu schauen und zu riechen, da habe ich die Zeit übersehen." 

  „Ja, bist du denn ganz allein zur Schule gegangen?“ 

  „Ja! Ich kann das schon allein!“  sagte Felix stolz. 

Der Lehrer war erstaunt. Seine Brille rutschte ihm bis auf die Nasenspitze.  „Wenn dich nun ein Raubvogel gesehen hätte, dann ...!“ 

 „Mich hat niemand gesehen“, erklärte Felix stolz. „Nicht einmal, als ich den Blumenelfen bei der Arbeit zugesehen habe. Auf der Wiese blüht doch gerade der Löwenzahn so schön ...“ 

Seine Klassenkameraden schrieen entsetzt auf. Felix war entweder sehr mutig oder sehr, sehr dumm, fanden sie. Sein Freund Brauni zitterte bei dem Gedanken, was Felix alles hätte passieren können. 

Lehrer Klugauge war ein geduldiger Lehrer. Aber dass der kleine Fuchs auch noch stolz darauf war, unvernünftig lange sich einer unnötigen Gefahr auszusetzen, das ließ ihn fast ein bisschen zornig werden. Er sah Felix durchdringend an und meinte: „Hat dein Vater dich nicht vor den Gefahren gewarnt, die das Überqueren der Wiese mit sich bringt?“ 

Felix schaut zerknirscht und gesteht: „Hat er schon. Aber heute ist Montag, da kann mir nichts passieren.“ 

 "Warum nicht?“ Lehrer Klugauge musste seine Brille festhalten, weil sie schon wieder auf die Nasenspitze zu rutschen drohte. 

 „Weil Papa gesagt hat, für Raubvögel sind Füchse ein Sonntagsbraten. Heute ist aber nicht Sonntag, sondern Montag“ 

Lehrer Klugauge fiel vor Schreck in Ohnmacht, und Felix’ Freunde klärten ihn über seinen Irrtum auf. Ob der kleine Fuchs das nächste Mal besser auf die Mahnung seines Vaters hört? 



 

Das Lied der Wasserfee 

 

Die kleine Elfe Violett war im Sonnenschein unterwegs. Sie liebte es, wenn ihre Flügel mit den Strahlen der Sonne wetteifern konnten. Sie hatte nämlich ganz besonders schöne, bunte und zarte Flügel. 

Wenn sie am Ufer des Baches über den Wiesenblumen schwebte, konnte man sie leicht mit einer Libelle verwechseln. 

Als Violett gerade über einer wundervollen blauen Glockenblume schwebte, hörte sie ihren Namen rufen. 

 "Violett, bitte komm zu mir!" 

Erst konnte die kleine Elfe die Sprecherin nicht ausmachen, doch als die Glockenblume zu läuten begann, da wusste die Elfe sofort, dass nur sie die Ruferin sein konnte. 

  "Brauchst du Hilfe, liebe Glockenblume?", fragte Violett und flatterte aufgeregt mit ihren Flügeln. 

  "Ja, bitte", antwortete diese. "Die Vogelgeister haben mir versprochen, etwas Schönes zu schicken. Aber der Wind hat das Geschenk in den Bach geweht. Ich kann doch von hier nicht weg, weil meine Wurzeln im Boden verankert sind. Könntest du bitte nachschauen, welches Geschenk mir die Vogelgeister gemacht haben?" 

  "Gerne, liebe Glockenblume." 

Die kleine Elfe flog neugierig zum Bach und schaute sich  um. Sie konnte kein Packchen finden, weder eines mit glänzender Schleife, noch eines ohne Schleife. Angestrengt suchte sie mit ihren Augen die Ufer ab, bis ihr Blick auf den Weidenstrauch am gegenüberliegenden Ufer fiel. Dort winkte Hansi, das Strauchgespenst ihr aufgeregt zu. Violett flog zu ihm hin. 

  "Du suchst sicher das Geschenk für die Glockenblume, habe ich Recht?", fragte er. 

  "Ja, das stimmt", antwortete die Elfe. "Wo ist es denn?" 

Das Strauchgespenst hielt den Zeigefinger vor den Mund und sagte leise: "Das Geschenk ist bei der Wasserfee gelandet. Von dort ist es abzuholen. Aber sei leise dabei, denn sie setzt gerade die Noten, die sie von den Vogelgeistern bekommen hat, zu einem neuen Lied für die Glockenblume zusammen." 

Violett fand das wunderbar. 

 "Da wird sich die Glockenblume aber freuen", sagte sie und klopfte leise bei der Wasserfee an. Wie von Geisterhand öffnete sich die Türe und Violett hörte im Hintergrund eine wunderschöne Melodie, die ganz sanft ihr Herz berührte.